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'''Vitalismus, Lebenskraft''' (vis vitalis) ist ein historisches Konzept der Medizin, das in einigen [[Pseudomedizin|pseudomedizinischen]] Lehren weiterhin eine Rolle spielt.  
 
'''Vitalismus, Lebenskraft''' (vis vitalis) ist ein historisches Konzept der Medizin, das in einigen [[Pseudomedizin|pseudomedizinischen]] Lehren weiterhin eine Rolle spielt.  
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An der Wende zum 18. Jahrhundert traten zu den "iatrochemischen" Konzepten auch animistische oder vitalistische Theorien. Sie legten Wert auf die Unterscheidung der lebenden Zelle von toter, unbelebter Materie. Zwar gab es schon in der Antike die verschiedensten Bezeichnungen wie Pneuma (Galen), Archaeus (Paracelsus), Spiritus, Anima oder Entelechie und auch für Galen (130-201 n. Chr.) war die 'animalische Seele' die Erhalterin des Lebens.<ref name="Haas1">Hans Haas: ''Ursprung, Geschichte und Idee der Arzneimittelkunde''. Band 1. B.I. Wissenschaftsverlag, Mannheim 1981</ref> Aber bei ihm befand sich die Lebenskraft noch in der Luft, wurde als Lebenshauch mit dem Atem eingesogen und erneuerte die innere Lebenskraft im Körper dort, wo sie angeblich verbraucht war. Gerade diese Vorstellungen werden heute im Bereich esoterischer Verfahren wie [[Geistheilen|spiritual healing (Geistheilung)]], [[Touch for Health]] oder [[Reiki]] weiter eingesetzt.
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An der Wende zum 18. Jahrhundert traten zu den "iatrochemischen" Konzepten auch animistische oder vitalistische Theorien. Sie legten Wert auf die Unterscheidung der lebenden Zelle von toter, unbelebter Materie. Zwar gab es schon in der Antike die verschiedensten Bezeichnungen wie Pneuma (Galen), Archaeus (Paracelsus), Spiritus, Anima oder Entelechie und auch für Galen (130-201 n.Chr.) war die 'animalische Seele' die Erhalterin des Lebens.<ref name="Haas1">Hans Haas: ''Ursprung, Geschichte und Idee der Arzneimittelkunde''. Band 1. B.I. Wissenschaftsverlag, Mannheim 1981</ref> Aber bei ihm befand sich die Lebenskraft noch in der Luft, wurde als Lebenshauch mit dem Atem eingesogen und erneuerte die innere Lebenskraft im Körper dort, wo sie angeblich verbraucht war. Gerade diese Vorstellungen werden heute im Bereich esoterischer Verfahren wie [[Geistheilen|spiritual healing (Geistheilung)]], [[Touch for Health]] oder [[Reiki]] weiter eingesetzt.
    
Im Mittelalter wurde die Lebenskraft eher [[Spiritismus|spiritistisch]]-[[Magie|magisch]] betrachtet. Für Johann Baptist van Helmont (1579-1644) saß der Archaeus beispielsweise im Magen und wurde zum Allwirker und Ordner im Organismus.<ref name="Haas1"/> Er wollte diese Kraft durch die Gabe von [[Aloe Vera|Aloe]], Myrrhe, Safran und nicht gerade harmlosem Antimontrisulfid (Grauspießglanz) stärken. Bei der Behandlung von "Zauberkrankheiten", die die Lebensgeister störten, verwendete er Brunnenkresse (''Nasturtium officinale'') oder Flohknöterich (''Polygonum persicaria''). Er empfahl aber auch Kupfervitriol, Arsenik, Schwefel und Salz.
 
Im Mittelalter wurde die Lebenskraft eher [[Spiritismus|spiritistisch]]-[[Magie|magisch]] betrachtet. Für Johann Baptist van Helmont (1579-1644) saß der Archaeus beispielsweise im Magen und wurde zum Allwirker und Ordner im Organismus.<ref name="Haas1"/> Er wollte diese Kraft durch die Gabe von [[Aloe Vera|Aloe]], Myrrhe, Safran und nicht gerade harmlosem Antimontrisulfid (Grauspießglanz) stärken. Bei der Behandlung von "Zauberkrankheiten", die die Lebensgeister störten, verwendete er Brunnenkresse (''Nasturtium officinale'') oder Flohknöterich (''Polygonum persicaria''). Er empfahl aber auch Kupfervitriol, Arsenik, Schwefel und Salz.
    
==Der Vitalismus==
 
==Der Vitalismus==
Einer der heute noch bekannten Vitalisten, Georg Ernst Stahl (1659-1734), sah die Krankheit entweder als Schädigung der Organe, Verderben der [[Humoralpathologie|Säfte]] oder Störung der Seele. In seinem 1708 erschienen Werk ''Theoria Medica Vera'' machte er einen Mangel der Bewegungsorgane als Ursache für Krankheiten - der Schädigung des unkörperlich gedachten "Motus vitales" - aus. Auf ihn dürfte die sich z.B. in der [[Homöopathie]] auch heute noch spiegelnde Denkweise zurückführen lassen, nach der die Natur Heilerin aller Krankheiten sei und man durch Stärkung der [[Selbstheilungskraft|Selbstheilungskräfte]] heilen könne. Folgerichtig plädierte Stahl dafür, Symptome wie Erbrechen, Blutungen oder Durchfall nicht zu bekämpfen, sondern sogar noch zu begünstigen. Dabei sprach er sich für den [[Aderlass]], den Einsatz von Abführmitteln und auch für die Gabe von Quecksilberpillen zur Sekretionsanregung aus. Als "blutzerteilende" Mittel empfahl er Krebsaugen, eine Antimontinktur und versüßten Salpetergeist. Sonderlichen Zulauf erfreuten sich Stahls animistische Vorstellungen in Deutschland nicht. Seine Lehren wurden aber in Frankreich durch Francois Boissier de Sauvages (1706-1767), Theophile de Bordeu (1722-1776) und Joseph P. Barthez (1734-1806) aufgenommen, modifiziert und als vitalistische Lehren weiterverbreitet.
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Einer der heute noch bekannten Vitalisten, Georg Ernst Stahl (1659-1734), sah Krankheit entweder als Schädigung der Organe, Verderben der [[Humoralpathologie|Säfte]] oder Störung der Seele. In seinem 1708 erschienen Werk ''Theoria Medica Vera'' machte er einen Mangel der Bewegungsorgane als Ursache für Krankheiten - der Schädigung des unkörperlich gedachten "Motus vitales" - aus. Auf ihn dürfte die sich z.B. in der [[Homöopathie]] auch heute noch spiegelnde Denkweise zurückführen lassen, nach der die Natur Heilerin aller Krankheiten sei und man durch Stärkung der [[Selbstheilungskraft|Selbstheilungskräfte]] heilen könne. Folgerichtig plädierte Stahl dafür, Symptome wie Erbrechen, Blutungen oder Durchfall nicht zu bekämpfen, sondern sogar noch zu begünstigen. Dabei sprach er sich für den [[Aderlass]], den Einsatz von Abführmitteln und auch für die Gabe von Quecksilberpillen zur Sekretionsanregung aus. Als "blutzerteilende" Mittel empfahl er Krebsaugen, eine Antimontinktur und versüßten Salpetergeist. Sonderlichen Zulauf erfreuten sich Stahls animistische Vorstellungen in Deutschland nicht. Seine Lehren wurden aber in Frankreich durch Francois Boissier de Sauvages (1706-1767), Theophile de Bordeu (1722-1776) und Joseph P. Barthez (1734-1806) aufgenommen, modifiziert und als vitalistische Lehren weiterverbreitet.
    
==Das Konzept der Lebenskraft==
 
==Das Konzept der Lebenskraft==
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Die Begriffe der "Reizbarkeit" oder "Irritabilität", bereits zuvor von Francis Glisson (1597-1677) erwähnt, wurden durch Experimentalarbeiten Albrecht von Hallers (1708-1777) ausgeweitet und waren zu Beginn des 18. Jahrhunderts in aller Munde. Der schottische Arzt John Brown (1735-1788) vereinfachte im so genannten Brownianismus diese Einflussfaktoren in einem simplen Erklärungssystem:
 
Die Begriffe der "Reizbarkeit" oder "Irritabilität", bereits zuvor von Francis Glisson (1597-1677) erwähnt, wurden durch Experimentalarbeiten Albrecht von Hallers (1708-1777) ausgeweitet und waren zu Beginn des 18. Jahrhunderts in aller Munde. Der schottische Arzt John Brown (1735-1788) vereinfachte im so genannten Brownianismus diese Einflussfaktoren in einem simplen Erklärungssystem:
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Brown verstand das Leben als einen durch innere und äußere Reize erregten und aufrecht erhaltenen Zustand, wobei Reiz- und Erregbarkeit die Basis darstellten. Krankheit und Gesundheit waren demnach als Fähigkeit des Organismus zu verstehen, angemessen auf diese Reize zu reagieren. Finde eine Reizüberflutung stattfinden, komme es zu einer Abnahme der Erregbarkeit und somit indirekt zu Schwäche. Umgekehrt bewirke ein Reizmangel eine Zunahme der Erregbarkeit und erzeuge somit eine direkte Schwäche. Ziel war demnach, ein Gleichgewicht zwischen Reizüberflutung und Reizmangel zu erreichen.
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Brown verstand das Leben als einen durch innere und äußere Reize erregten und aufrecht erhaltenen Zustand, wobei Reiz- und Erregbarkeit die Basis darstellten. Krankheit und Gesundheit waren demnach als Fähigkeit des Organismus zu verstehen, angemessen auf diese Reize zu reagieren. Finde eine Reizüberflutung statt, komme es zu einer Abnahme der Erregbarkeit und somit indirekt zu Schwäche. Umgekehrt bewirke ein Reizmangel eine Zunahme der Erregbarkeit und erzeuge somit eine direkte Schwäche. Ziel war demnach, ein Gleichgewicht zwischen Reizüberflutung und Reizmangel zu erreichen.
    
Der englische Arzt und bekannte Chirurg William Cullen (1712-1790) entwickelte ähnliche Vorstellungen. Zur Zeit der deutschen Romantik vertraten Andreas Röschlaub (1712-1790) und Friedrich Wilhelm Schelling (1775-1854) die Thesen des Brownianismus.
 
Der englische Arzt und bekannte Chirurg William Cullen (1712-1790) entwickelte ähnliche Vorstellungen. Zur Zeit der deutschen Romantik vertraten Andreas Röschlaub (1712-1790) und Friedrich Wilhelm Schelling (1775-1854) die Thesen des Brownianismus.
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Das Konzept der Lebenskraft konnte allerdings nicht dauerhaft etabliert werden. Johann C. Reil (1759-1813) aus Halle vertrat schon 1796 die Meinung, dass man über diese Kraft nichts aussagen könne, solange die Chemie keine Auskunft über die Grundstoffe des Körpers und ihrer Eigenschaften gebe.<ref name="Haas1"/>
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Das Konzept der Lebenskraft konnte allerdings nicht dauerhaft etabliert werden. Johann C. Reil (1759-1813) aus Halle vertrat schon 1796 die Meinung, dass man über diese Kraft nichts aussagen könne, solange die Chemie keine Auskunft über die Grundstoffe des Körpers und ihre Eigenschaften gebe.<ref name="Haas1"/>
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Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts - begründet durch Hans Driesch (1867-1941) und basierend auf den Lehren von Gustav von Bunge (1889) - trat der so genannte Neovitalismus in Erscheinung. Als Grundlage der Autonomie der Lebensvorgänge wurde die Entelechie, eine Art zielbewusster Fähigkeit jedes lebendigen Wesens, angesehen. Das Leben war demnach eine Erscheinung seelischer Art. Auf die medizinische Therapie hatten diese neovitalistischen Vorstellungen aber keinen Einfluss.<ref name="Haas1"/>
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Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts - begründet durch Hans Driesch (1867-1941) und basierend auf den Lehren von Gustav von Bunge (1889) - trat der so genannte Neovitalismus in Erscheinung. Als Grundlage der Autonomie der Lebensvorgänge wurde die Entelechie, eine Art zielbewusste Fähigkeit jedes lebendigen Wesens, angesehen. Das Leben war demnach eine Erscheinung seelischer Art. Auf die medizinische Therapie hatten diese neovitalistischen Vorstellungen aber keinen Einfluss.<ref name="Haas1"/>
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Ähnliche vitalistische Vorstellungen und Konzepte von der Lebensenergie lassen sich auch in anderen Glaubenssystemen finden, wie zum Beispiel im Hinduismus mit [[Prana]] und innerhalb der [[TCM|traditionellen chinesischen Medizin]] mit [[Chi]].
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Ähnliche vitalistische Vorstellungen und Konzepte von Lebensenergie lassen sich auch in anderen Glaubenssystemen finden, wie zum Beispiel im Hinduismus mit [[Prana]] und innerhalb der [[TCM|traditionellen chinesischen Medizin]] mit [[Chi]].
    
==Lebenskraft in der Homöopathie==
 
==Lebenskraft in der Homöopathie==
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<references/>
 
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{{Paralex}}
   
[[category:Medizingeschichte]]
 
[[category:Medizingeschichte]]
 
[[category:Pseudomedizin]]
 
[[category:Pseudomedizin]]
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