Osteopathie: Unterschied zwischen den Versionen

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==Eine Methode ohne glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweis==
 
==Eine Methode ohne glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweis==
Laut der deutschen Krankenversicherung AOK konnten bisher keine wissenschaftlichen Nachweise der Wirksamkeit der Osteopathie erbracht werden.<ref>http://www.aok.de/bund/rd/136225.htm</ref> Auch die Autoren Posadzki und Ernst kamen im Rahmen einer Übersichtsarbeit zum Thema zum gleichen Schluß.<ref>Posadzki P, Ernst E.: Osteopathy for musculoskeletal pain patients: a systematic review of randomized controlled trials., Clin Rheumatol., 30.10.2010</ref> Hass-Degg&nbsp;et&nbsp;al. führten eine Evaluierung und kritische Bewertung von Studien der Osteopathie im klinischen Bereich durch. Sie kamen zu dem Resultat, dass die meisten osteopathischen Studien als Diplomarbeiten von DOs an Osteopathieschulen durchgeführt worden und nicht in die weltweit verfügbare medizinische Fachliteratur vorgedrungen waren. Von den insgesamt 30&nbsp;gefundenen klinischen Studien erreichten nur 9&nbsp;die vorgegebene erforderliche Mindestpunktzahl für eine Zuordnung zu Qualitätskategorien, was bedeutet, dass die Studien zu dilettantisch organisiert oder zu schlecht dokumentiert waren, um aus ihnen einen glaubhaften Wirksamkeitsnachweis der Methode herausarbeiten zu können. Nur in 5&nbsp;der 9&nbsp;Studien war die osteopathische Behandlung der jeweiligen Kontrollintervention überlegen. Infolge der geringen Anzahl klinischer Studien, die die formalen Anforderungen erfüllten, lassen sich nach Hass-Degg&nbsp;et&nbsp;al. derzeit noch keine definitiven Schlüsse über die Wirksamkeit der Osteopathie ziehen.<ref>Hass-Degg K, Schwerla B.S, Schwerla F.: ''Evaluierung und kritische Bewertung von Studien der Osteopathie im klinischen Bereich und im Bereich der Grundlagenforschung in der europäischen und internationalen Literatur'' [http://www.osteopathie-akademie.de/abstracts/nr4.html]</ref>
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Laut der deutschen Krankenversicherung AOK konnten bisher keine wissenschaftlichen Nachweise der Wirksamkeit der Osteopathie erbracht werden.<ref>http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/59723.php?id=71</ref> Auch die Autoren Posadzki und Ernst kamen im Rahmen einer Übersichtsarbeit zum Thema zum gleichen Schluß.<ref>Posadzki P, Ernst E.: Osteopathy for musculoskeletal pain patients: a systematic review of randomized controlled trials., Clin Rheumatol., 30.10.2010</ref> Hass-Degg&nbsp;et&nbsp;al. führten eine Evaluierung und kritische Bewertung von Studien der Osteopathie im klinischen Bereich durch. Sie kamen zu dem Resultat, dass die meisten osteopathischen Studien als Diplomarbeiten von DOs an Osteopathieschulen durchgeführt worden und nicht in die weltweit verfügbare medizinische Fachliteratur vorgedrungen waren. Von den insgesamt 30&nbsp;gefundenen klinischen Studien erreichten nur 9&nbsp;die vorgegebene erforderliche Mindestpunktzahl für eine Zuordnung zu Qualitätskategorien, was bedeutet, dass die Studien zu dilettantisch organisiert oder zu schlecht dokumentiert waren, um aus ihnen einen glaubhaften Wirksamkeitsnachweis der Methode herausarbeiten zu können. Nur in 5&nbsp;der 9&nbsp;Studien war die osteopathische Behandlung der jeweiligen Kontrollintervention überlegen. Infolge der geringen Anzahl klinischer Studien, die die formalen Anforderungen erfüllten, lassen sich nach Hass-Degg&nbsp;et&nbsp;al. derzeit noch keine definitiven Schlüsse über die Wirksamkeit der Osteopathie ziehen.<ref>Hass-Degg K, Schwerla B.S, Schwerla F.: ''Evaluierung und kritische Bewertung von Studien der Osteopathie im klinischen Bereich und im Bereich der Grundlagenforschung in der europäischen und internationalen Literatur'' [http://www.osteopathie-akademie.de/abstracts/nr4.html]</ref>
  
 
Die osteopathische Diagnostik scheint wenig reproduzierbar zu sein. Monteiro-Ferreira&nbsp;et&nbsp;al. untersuchten die Reproduzierbarkeit osteopathischer Tests am Beispiel des Beckens, weil die meisten Studien zu diesem Thema gravierende methodische und inhaltliche Mängel aufwiesen.<ref>Monteiro-Ferreira J., Rößel-Bretschneider A., Thuillier L.: ''Untersuchung der Reproduzierbarkeit osteopathischer Tests am Beispiel des Beckens''. [http://www.osteopathie-akademie.de/abstracts/nr30.html]</ref> Ziel der Studie war es, osteopathische Tests am Becken auf ihre interindividuelle Reproduzierbarkeit hin zu untersuchen und herauszufinden, ob diese Tests geeignet sind, osteopathische Diagnosen zu erstellen. Drei Osteopathen, die zugleich ihre Ausbildung am COE in München absolviert haben, führten im Hauptversuch an 21&nbsp;symptomatischen Patienten mit Schmerzen in der LBH–Region jeweils 18&nbsp;ausgewählte Tests am Becken durch, die sich aus Schmerzprovokationstests, Mobilitätstests, positionellen Tests und Horchtests zusammensetzten. Die Auswertung der Reproduzierbarkeit erfolgte mit Kappa-Wert. Darüber hinaus gab jeder Therapeut nach jedem Test auf einer Skala von 0–10 an, wie überzeugt er von der Richtigkeit seines Testergebnisses war. Zuverlässige Ergebnisse konnte nur die Schmerzprovokationstests erzielen (Kappa-Werte bis zu 0,712). Bei den Mobilitätstests erreichte der Test der Mobilität des Iliosacralgelenks nur Kappa-Werten bis zu 0.364, was auf eine überwiegende Nichtreproduzierbarkeit schließen ließ. Die übrigen Mobilitätstests, die Tests der Muskeln und Ligamente sowie die Positionstests mit Bestimmung der Landmarks konnten nicht überzeugen. Eine wichtige Ursache für die unterschiedlichen Testergebnisse liegt in der Ermessenstoleranz des Therapeuten, es hängt also davon ab, ob er bei einer getesteten Struktur überhaupt einen Befund diagnostiziert, oder ob er die betreffende Struktur ohne Befund bewertet.
 
Die osteopathische Diagnostik scheint wenig reproduzierbar zu sein. Monteiro-Ferreira&nbsp;et&nbsp;al. untersuchten die Reproduzierbarkeit osteopathischer Tests am Beispiel des Beckens, weil die meisten Studien zu diesem Thema gravierende methodische und inhaltliche Mängel aufwiesen.<ref>Monteiro-Ferreira J., Rößel-Bretschneider A., Thuillier L.: ''Untersuchung der Reproduzierbarkeit osteopathischer Tests am Beispiel des Beckens''. [http://www.osteopathie-akademie.de/abstracts/nr30.html]</ref> Ziel der Studie war es, osteopathische Tests am Becken auf ihre interindividuelle Reproduzierbarkeit hin zu untersuchen und herauszufinden, ob diese Tests geeignet sind, osteopathische Diagnosen zu erstellen. Drei Osteopathen, die zugleich ihre Ausbildung am COE in München absolviert haben, führten im Hauptversuch an 21&nbsp;symptomatischen Patienten mit Schmerzen in der LBH–Region jeweils 18&nbsp;ausgewählte Tests am Becken durch, die sich aus Schmerzprovokationstests, Mobilitätstests, positionellen Tests und Horchtests zusammensetzten. Die Auswertung der Reproduzierbarkeit erfolgte mit Kappa-Wert. Darüber hinaus gab jeder Therapeut nach jedem Test auf einer Skala von 0–10 an, wie überzeugt er von der Richtigkeit seines Testergebnisses war. Zuverlässige Ergebnisse konnte nur die Schmerzprovokationstests erzielen (Kappa-Werte bis zu 0,712). Bei den Mobilitätstests erreichte der Test der Mobilität des Iliosacralgelenks nur Kappa-Werten bis zu 0.364, was auf eine überwiegende Nichtreproduzierbarkeit schließen ließ. Die übrigen Mobilitätstests, die Tests der Muskeln und Ligamente sowie die Positionstests mit Bestimmung der Landmarks konnten nicht überzeugen. Eine wichtige Ursache für die unterschiedlichen Testergebnisse liegt in der Ermessenstoleranz des Therapeuten, es hängt also davon ab, ob er bei einer getesteten Struktur überhaupt einen Befund diagnostiziert, oder ob er die betreffende Struktur ohne Befund bewertet.
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*[http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/behandlung-nichtmedikamentoese-und-alternative-therapien-osteopathie-8064.php Osteopathie] AOK-Bundesverband Berlin, Dezember 2011
 
*[http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/behandlung-nichtmedikamentoese-und-alternative-therapien-osteopathie-8064.php Osteopathie] AOK-Bundesverband Berlin, Dezember 2011
 
*Heike Le Ker: [http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/osteopathie-heilen-mit-den-haenden-auf-krankenschein-a-865687.html Osteopathie: Fragwürdige Heilmethode auf Rezept] Spiegel online, 13. Dezember 2012
 
*Heike Le Ker: [http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/osteopathie-heilen-mit-den-haenden-auf-krankenschein-a-865687.html Osteopathie: Fragwürdige Heilmethode auf Rezept] Spiegel online, 13. Dezember 2012
 
  
 
==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==

Version vom 13. Januar 2014, 22:32 Uhr

Andrew Taylor Still

Osteopathie ist ein pseudomedizinisches Konzept, das im 19. Jahrhundert in den USA entstand. Es gibt Ähnlichkeiten und Überschneidungen zur Chiropraktik, jedoch beansprucht die Osteopathie vor allem in den USA, auch bei Stoffwechselproblemen und anderen allgemeinen Erkrankungen wirksam zu sein und nicht nur bei Störungen des Bewegungsapparates.

Der Begriff Osteopathie wird gelegentlich als Bezeichnung für die sogenannte Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta) verwendet.

Inhalte der Osteopathie

Die osteopathische Medizin ist durch manuelle Diagnostik und Behandlung von angeblichen oder tatsächlichen Funktionseinschränkungen von Knochen, Gelenken und (inneren) Organen gekennzeichnet. Folgende Techniken werden eingesetzt:

  • Mobilisierende Muskeltechniken: Mit bestimmten Griffen oder Bewegungsfolgen werden Gelenkfunktionsstörungen an der Wirbelsäule und den Extremitäten behandelt. Dabei arbeitet man mit geführten Bewegungen, gezieltem Muskelzug oder exakt bemessener äußerer Krafteinwirkung.
  • Myofasziale Techniken: Da die Muskulatur mit Faszien umhüllt ist, sollen diese behandelt werden, um daraus therapeutischen Nutzen zu ziehen. Es werden weiche Zug- und Druckreize zur Normalisierung der Gewebsspannung verwendet bzw. um Durchblutung und Beweglichkeit zu steigern.
  • Viszerale Techniken: Da die inneren Organe beweglich angeordnet sind, sollen mit der Osteopathie Verspannungen der Bindegewebselemente behoben werden. Daraus leitet man den Anspruch ab, Fehlfunktionen der Organe selbst therapieren zu können, weil angeblich die freie Beweglichkeit der Organe für deren normale Funktion essentiell sei.
  • Kranio-sakrale Techniken: Es wird postuliert, dass bei Erwachsenen die Schädelknochen gegeneinander beweglich seien. Man postuliert ebenfalls einen bestimmten Rhythmus dieser Bewegung, nämlich Druckschwankungen des Liquor, der das Gehirn umhüllt.

Osteopathie in den USA und in Europa

Andrew Taylor Still

Die der osteopathischen Medizin zugrunde liegenden Vorstellungen gehen auf den US-amerikanischen Chirurgen und Arzt Andrew Taylor Still (6. August 1828 - 12. Dezember 1917) zurück, der im Jahr 1892 in Kirksville/Missouri das erste medizinisch-osteopathische College gründete, nachdem er seine osteopathischen Thesen 1874 erstmals verkündet hatte. Zu seiner Zeit steckte die Hochschulmedizin noch in den Kinderschuhen. In den USA dominierten noch die säftepathologischen Behandlungsweisen aus dem Mittelalter.

Still hatte zu Lebzeiten recht seltsame Ansichten über die Wirksamkeit seiner Methode. So schrieb er in seiner Autobiographie:

"shake a child and stop scarlet fever, croup, diphtheria, and cure whooping cough in three days by a wring of its neck".

Solch fragwürdigen Ansichten sind medizinhistorisch jedoch typisch für die Zeit, in der Still lebte. Offenbar sah er die therapeutische Welt nur aus der vereinfachten chirurgischen Perspektive und erklärte sich die Krankheiten nach dem Aufbau eines eigenen Denksystems als Folge von Veränderungen der Knochen und Organe. Es ist auch dem medizinischen Laien offensichtlich, dass dieses begrenzte System nur zu einem kleinen Teil die tatsächlichen Abläufe im menschlichen Organismus beschreibt. Wird solch ein Ansatz aber mit genügender Energie verfolgt, ist er durchaus geeignet, einfachere Gemüter in seinen Bann zu ziehen.

Die Verknüpfung zwischen Ausbildungssystem und therapeutischer Anwendung, also das Geldverdienen mittels Ausbildungsgebühren für das Erlernen der Still'schen Therapie, ist eine der Säulen, auf der die Osteopathie ruht. Mit dieser Methode gelang es Still (wie auch vielen anderen Ärzten, die ähnliche Systeme etablierten), sich genügend Finanzmittel zu beschaffen, um sein System weiter auszubreiten. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass es in den USA historisch bedingt keine einheitliche, hochschulmedizinische, universitäre Ärzteausbildung gab, wie sie heute z.B. in den meisten EU-Ländern vorhanden ist. Im Gegenteil, es gibt in einigen Bundesstaaten weiterhin die Möglichkeit, an naturopathischen Einrichtungen eine vollgültige Ausbildung zu absolvieren. Danach kann man sich als (naturopathischer) Arzt bezeichnen und beruflich tätig werden. Ein solches Studium ist nach Gugliemo (1998)[1] gegenwärtig an 19 Hochschulen in den USA möglich. Möglicherweise kommt aufgrund der Vereinheitlichungstendenzen auf europäischer Ebene eine ähnliche Verschlechterung der hochschulmedizinischen Ausbildung auch in der EU in den nächsten Jahren zum Tragen.[2] Insgesamt arbeiten in den USA heutzutage schätzungsweise 44.000 Osteopathen.[3]

Ausbildung eines "ärztlichen Osteopathen" in den USA

Den Zugang zu einer osteopathischen Ausbildungsschule erhält man, wenn man eine dreijährige berufliche Tätigkeit ausgeübt hat. Die Aufnahme setzt eine geringere Schulausbildung voraus als jene, die für einen konventionellen, hochschulmedizinischen Studiengang notwendig wäre. Dergleichen drückt sich in deutlich schlechteren Prüfresultaten aus. So liegt die durchschnittliche Prüfpunktzahl (Grade Point Average = GPA) und die Prüfnote des Medical College Admission Test (MCAT) von osteopathischen Studenten üblicherweise deutlich unter denjenigen Werten, die von Medizinstudenten erreicht werden (Ross-Lee und Wood 1995, Doxey und Phillips 1997). Die durchschnittliche Anzahl an in Vollzeit tätigem Lehrpersonal in osteopathischen Ausbildungsstätten liegt gerade einmal bei 10% im Vergleich zu universitärem Lehrpersonal (Ross-Lee und Wood 1995). Zusätzlich forschen osteopathische Einrichtungen kaum und einige haben Probleme, genügend ausgebildetes Lehrpersonal bereit zu stellen (Jones 1999). Es ist also deutlich erkennbar, dass Ausbildung und Leistungsstand von osteopathischem Personal von Beginn an schlechter ist im Vergleich zu Personen, aus denen später Hochschulmediziner werden.

Der Grad eines "Doctor of Osteopathy" (DO) umfasst eine 5.000-stündige Ausbildung über 4 Studienjahre. Die osteopathischen Fakultäten unterscheiden zwischen dem "Doktor der Osteopathie" und denjenigen, die einen tatsächlichen akademischen Grad (z.B. Dr. med.) führen. Man sollte also einen DO nicht mit einem Dr. med. bzw. einem hochschulmedizinischen, an einer Universität ausgebildeten Arzt verwechseln.

Die Berufszulassung als DO erhält man nach einem weiteren Rotationsjahr an einem zugelassenen Krankenhaus. Nachfolgend kann sich der Arzt spezialisieren, z.B. an Kliniken für Innere Medizin. Seit 1993 können fertige DOs der American Academy of Family Practice beitreten, die vorher nur für hochschulmedizinische Ärzte (Dr. med.) oder DOs mit zusätzlicher hochschulmedizinischer Ausbildung offen stand (Guliemo 1998).

Osteopathische Ärzte dürfen mittlerweile in allen US-Bundesstaaten praktizieren. In einer im Januar 1995 veröffentlichten Umfrage unter 2.000 zufällig ausgewählten osteopathischen Therapeuten, die Mitglieder des American College of Osteopathic Physicians waren, gaben 6,2% der Befragten an, mehr als die Hälfte ihrer Patienten mit den osteopathischen manipulativen Techniken zu behandeln. 39,6% gaben an, diese Methode bei Fieber anzuwenden. Bezeichnend an der Umfrage war der Umstand, dass je höher der Ausbildungs- und Fortbildungsgrad der ursprünglich eine osteopathische Ausbildung absolvierende Person war, desto niedriger(!) war der Anteil jener, die noch osteopathische Methoden einsetzten (Johnson et al. 1997)

Weg der Osteopathie nach Europa

Nach dem Andrew Taylor Still seine Methode vorgestellt und 1892 die erste osteopathische Schule gegründet hatte (American School of Osteopathy), die von DO Dr. William Smith geleitet wurde, wurde die Methode in späterer Zeit von DO William Garner Sutherland und DO Harold Magoun auf den Bereich des Schädels übertragen. DO Martin Littlejohn, ein Schüler Stills, brachte die Osteopathie 1917 nach England, wo er die British School of Osteopathy gründete. Heute ist die Osteopathie in England seit 1994 offiziell anerkannt und wird an vier Privatschulen gelehrt. In Frankreich etablierten die DOs Jacques Weischenk, Jean-Pierre Barral und Philippe Druelle als bekannteste Vertreter der Osteopathie diese Methode. Mittlerweile gibt es in Frankreich 14 osteopathische Ausbildungsstätten und einen französischen Verband für Osteopathie mit etwa 500 Mitgliedern. Es gibt noch entsprechende Ausbildungsstätten und Verbände in Belgien und Kanada (seit 1982 z.B. die Fondation Canadienne pour l'Enseignement et la Recherche en Ostéopathie in Montreal mit einem deutschen Ableger, dem Deutschen Osteopathie Kolleg). In Europa und international sind folgende Organisationen aktiv: Europäisches Colleg für Osteopathie, College Sutherland, Osteopathie Akademie München, Osteopathie Schule Deutschland und Still Academy.

In Deutschland wird die Osteopathie überwiegend von Heilpraktikern ausgeübt, aber der Anteil Ärzte, die sich der Methode bedienen, steigt. Die Ausbildung zum Osteopathen ist staatlich nicht reglementiert, wird aber in der Regel gemäß eines vereinsrechtlich abgesicherten Mindeststandards, der von der Akademie für Osteopathie Deutschland (AOD) propagiert wird, durchgeführt. Die AOD bietet eine berufsbegleitende Ausbildung in einer Ganztagsschule in Schlangenbad bei Wiesbaden an, die in Kooperation mit der Still Academy organisiert wird. Die Ausbildung umfasst lediglich 1.300 Stunden à 45 Minuten (also 975 Vollstunden), was weniger als 20% der in Deutschland und Europa allgemein üblichen Ausbildungszeit von Humanmedizinern entspricht (ca. 5.500 Vollstunden). Man schließt die Ausbildung als "Osteopath D.O." ab, wobei die AOD die Absolventen nach einer eigenen Prüfungsordnung prüft. Dies ist jedoch kein staatlicher Abschluss, sondern dieser Ausbildungsgrad hat den Wert eines Vereinsdiploms.

Eine Methode ohne glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweis

Laut der deutschen Krankenversicherung AOK konnten bisher keine wissenschaftlichen Nachweise der Wirksamkeit der Osteopathie erbracht werden.[4] Auch die Autoren Posadzki und Ernst kamen im Rahmen einer Übersichtsarbeit zum Thema zum gleichen Schluß.[5] Hass-Degg et al. führten eine Evaluierung und kritische Bewertung von Studien der Osteopathie im klinischen Bereich durch. Sie kamen zu dem Resultat, dass die meisten osteopathischen Studien als Diplomarbeiten von DOs an Osteopathieschulen durchgeführt worden und nicht in die weltweit verfügbare medizinische Fachliteratur vorgedrungen waren. Von den insgesamt 30 gefundenen klinischen Studien erreichten nur 9 die vorgegebene erforderliche Mindestpunktzahl für eine Zuordnung zu Qualitätskategorien, was bedeutet, dass die Studien zu dilettantisch organisiert oder zu schlecht dokumentiert waren, um aus ihnen einen glaubhaften Wirksamkeitsnachweis der Methode herausarbeiten zu können. Nur in 5 der 9 Studien war die osteopathische Behandlung der jeweiligen Kontrollintervention überlegen. Infolge der geringen Anzahl klinischer Studien, die die formalen Anforderungen erfüllten, lassen sich nach Hass-Degg et al. derzeit noch keine definitiven Schlüsse über die Wirksamkeit der Osteopathie ziehen.[6]

Die osteopathische Diagnostik scheint wenig reproduzierbar zu sein. Monteiro-Ferreira et al. untersuchten die Reproduzierbarkeit osteopathischer Tests am Beispiel des Beckens, weil die meisten Studien zu diesem Thema gravierende methodische und inhaltliche Mängel aufwiesen.[7] Ziel der Studie war es, osteopathische Tests am Becken auf ihre interindividuelle Reproduzierbarkeit hin zu untersuchen und herauszufinden, ob diese Tests geeignet sind, osteopathische Diagnosen zu erstellen. Drei Osteopathen, die zugleich ihre Ausbildung am COE in München absolviert haben, führten im Hauptversuch an 21 symptomatischen Patienten mit Schmerzen in der LBH–Region jeweils 18 ausgewählte Tests am Becken durch, die sich aus Schmerzprovokationstests, Mobilitätstests, positionellen Tests und Horchtests zusammensetzten. Die Auswertung der Reproduzierbarkeit erfolgte mit Kappa-Wert. Darüber hinaus gab jeder Therapeut nach jedem Test auf einer Skala von 0–10 an, wie überzeugt er von der Richtigkeit seines Testergebnisses war. Zuverlässige Ergebnisse konnte nur die Schmerzprovokationstests erzielen (Kappa-Werte bis zu 0,712). Bei den Mobilitätstests erreichte der Test der Mobilität des Iliosacralgelenks nur Kappa-Werten bis zu 0.364, was auf eine überwiegende Nichtreproduzierbarkeit schließen ließ. Die übrigen Mobilitätstests, die Tests der Muskeln und Ligamente sowie die Positionstests mit Bestimmung der Landmarks konnten nicht überzeugen. Eine wichtige Ursache für die unterschiedlichen Testergebnisse liegt in der Ermessenstoleranz des Therapeuten, es hängt also davon ab, ob er bei einer getesteten Struktur überhaupt einen Befund diagnostiziert, oder ob er die betreffende Struktur ohne Befund bewertet.

Bei Rückenschmerzen ist der Wert der osteopathischen Manipulationen über das Placeboniveau hinaus bis heute nicht glaubhaft bewiesen worden.[8]

Varianten

Biophysikalische Osteopathie

Diese Erfindung des Heilpraktikers Christof Plothe aus Alzey in Rheinland-Pfalz soll es ermöglichen, durch Betasten des Patienten angebliche Belastungen durch elektromagnetische Strahlung (siehe Elektrosmog) zu idenfizieren. Man könne damit außerdem "auf der Resonanzebene palpatorisch die Veränderungen im Gewebe bei der Exposition mit verschiedenen Substanzen" ermitteln, möglich sei ferner eine "biophysikalische Palpation von psychischen Belastungen".

Etiopathie

Eine Variante der Osteopathie ist die Étiopathie. Der Begriff wurde in den 1960er Jahren von dem Franzosen Christian Trédaniel eingeführt. Étiopathie ist vor allem in Frankreich, aber auch in der Schweiz und den Benelux-Ländern verbreitet. Ein klarer Unterschied zur Osteopathie ist nicht vorhanden.

Tierosteopathie

Geworben wird auch mit einer Anwendung bei Tieren, vor allem Pferden und Hunden.

Siehe auch

Anderssprachige Psiram-Artikel

Literatur

  • Posadzki P, Ernst E.: Osteopathy for musculoskeletal pain patients: a systematic review of randomized controlled trials. Clin Rheumatol., 30.10.2010 [3]

Weblinks

Quellennachweise

  1. Guglielmo, Wayne J.: Are D.O.s Losing Their Unique Identity?. Medical Economics, April 27, 1998, Vol. 75, No. 8
  2. Buchmann J.: What is osteopathic medicine? Dtsch Med Wochenschr. 2003 Jan 24;128(4):159. PMID: 12589588
  3. Guglielmo WJ.: Are D.O.s losing their unique identity? Med Econ. 1998 Apr 27;75(8):200-2
  4. http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/59723.php?id=71
  5. Posadzki P, Ernst E.: Osteopathy for musculoskeletal pain patients: a systematic review of randomized controlled trials., Clin Rheumatol., 30.10.2010
  6. Hass-Degg K, Schwerla B.S, Schwerla F.: Evaluierung und kritische Bewertung von Studien der Osteopathie im klinischen Bereich und im Bereich der Grundlagenforschung in der europäischen und internationalen Literatur [1]
  7. Monteiro-Ferreira J., Rößel-Bretschneider A., Thuillier L.: Untersuchung der Reproduzierbarkeit osteopathischer Tests am Beispiel des Beckens. [2]
  8. Krista Federspiel, Vera Herbst: Die Andere Medizin. "Alternative" Heilmethoden für Sie bewertet. Herausgegeben von Stiftung Warentest, 2006. ISBN: 3937880356