Mythos vom Nährstoffmangel in Obst und Gemüse

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Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln und Vertreter verschiedener Ernährungsheilslehren verbreiten unter anderem die Ansicht, dass Obst und Gemüse einen geringeren Gehalt an Nährstoffen, insbesondere an Vitaminen habe als in früheren Zeiten. Zum einen dient diese Aussage dem Absatz verschiedener Vitamin-, Mineral- und Nährstoffpräparate, zum anderen der Untermauerung von Ernährungsideologien. Grund für den angeblichen Mangel an Nährstoffen sei vor allem die intensive Landwirtschaft und als deren Folge eine Bodenauslaugung, Dünger- und Pestizideinsatz sowie moderne Methoden der Ernte und Haltbarmachung.[1][2] Derartige Aussagen sind wissenschaftlich unbegründet.

Vitamine in Obst und Gemüse

Insgesamt ist keine Tendenz erkennbar, dass der Nährstoffgehalt in Obst und Gemüse zu- oder abnimmt.[3] Der Gehalt an Nährstoffen unterliegt großen Schwankungen. Er ist abhängig von Sorte, Klima, Standort, Anbauform, Düngung, Wachstumsprozess, Erntezeitpunkt, Reifegrad, Transport und Lagerung. Aussagen in Nährwerttabellen sind Mittelwerte und können daher von den Werten einzelner Chargen erheblich abweichen.[4] So enthält die Apfelsorte Jonagold tatsächlich kaum Vitamin C. Der Erntezeitpunkt hat ebenso Einfluss auf den Vitamingehalt. So nimmt der Gehalt an Vitamin C während der Reifung bei Kiwis, Sanddornbeeren, Orangen, Grapefruit, Äpfeln, Mangos und Banane ab, bei Tomaten, Paprikas, Gewürzpaprika, Pfirsichen, Aprikosen und Papaya zu.[3]

Veränderte Nährstoffangaben sind zudem in einer verbesserten Analytik begründet. Beispielsweise wurde früher nur der Gesamtgehalt an Carotin gemessen. Heute kann man das Carotin aufgeschlüsselt nach seinen verschiedenen Formen messen. In den Tabellen erscheint dann nur der Wert für Beta-Carotin, der natürlich unterhalb des Gehalts an Gesamt-Carotin liegt.[5]

Verarmung der Böden

Die Abnahme des Nährstoffgehalts von Obst und Gemüse infolge Verarmung der Böden an Nährstoffen ist unwahrscheinlich, weil die Böden in der modernen Landwirtschaft gezielt gedüngt werden und der Nährstoffgehalt im Boden z.T. auch durch Bodenanalysen überprüft wird. Neben der Düngung gelangen Nährstoffe auch durch die Verwitterung des Ausgangsgesteins der Böden, Eintrag organischer Stoffe und durch Eintrag über den Luftpfad (zum Beispiel Stäube) in den Boden.

Ein Mangel oder Fehlen von Nährstoffen im Boden wirkt sich zudem direkt auf den Pflanzenstoffwechsel aus und führt zu vermindertem Wachstum und geringeren Erträgen[3] sowie zu Mangelkrankheiten wie gelbliche Blattverfärbungen (Chlorosen, zum Beispiel bei Mangel an Stickstoff, Phosphor, Kalium, Magnesium, Eisen), Missbildungen an Blättern und Trieben, Störung der Blütenentwicklung, Minderwuchs oder sogar Wachstumsstillstand.[6] Dass allein das Erntegut bei normalem Wachstum der Pflanze weniger Nährstoffe hat, ist pflanzenphysiologisch nicht möglich.

Ein tatsächlicher Mangel an Mineralien kann beim Menschen trotz abwechslungsreicher Ernährung vor allem bei Jod, aber auch bei Selen auftreten. Beide Elemente sind für den Menschen unverzichtbar, Pflanzen benötigen sie jedoch nicht. Selen und Jod sind in vielen Böden nicht ausreichend vorhanden. Da aber Pflanzen diese für ihren Stoffwechsel nicht benötigen, wachsen sie auch auf entsprechend verarmten Böden. Dies ist alles schon lange bekannt und man hält entsprechende Gegenmaßnahmen vor.

Beispiel Selen

Selenarme Böden finden sich vor allem in Nordeuropa. Nahrungs- und Futtermittel, die auf diesen Böden angebaut werden, können entsprechend wenig Selen aufweisen. In Finnland werden gemäß Verordnung selenhaltige Düngemittel ausgebracht, um den Mangel auszugleichen.[7] Auch in Mitteleuropa gibt es selenarme Böden, was den Landwirten in aller Regel bekannt ist. Um Entwicklungsstörungen bei Nutztieren vorzubeugen, kann entweder selenhaltiger Dünger oder selenhaltige Futterzusätze verwendet werden.[8] Da der Dung dieser Tiere meist wieder auf die Äcker gebracht wird, erreicht man auch so eine Anreicherung mit dem Element in der Nahrungskette. Da man sich zusätzlich - in der Regel - nicht nur mit regionalen Lebensmitteln versorgt, ist eine Unterversorgung mit Selen durch eine gemischte Kost unwahrscheinlich.[9]

Überdüngung der Böden

Ein weiteres Argument für den angeblichen Nährstoffschwund sehen die Verfechter in der Überdüngung der Böden. Dadurch steige der Wasser- und Proteingehalt in den Früchten, was zu einer „Verdrängung“ von Vitaminen und Mineralstoffen führe.[2] Beides hat allerdings nichts miteinander zu tun. Eine Überdüngung, meist handelt es sich dabei um Nitrate und Ammonium-Stickstoff, hat zwar ein erhöhtes Pflanzenwachstum zur Folge und möglicherweise ist mit einem hohen Nitratgehalt in grünem Gemüse zu rechnen, eine „Verdrängung“ anderer Nährstoffe ist nicht belegt. Vitamine werden im Stoffwechsel der Pflanze synthetisiert, unabhängig vom Eutrophierungsgrad des Bodens.

Weblinks

Quellenverzeichnis