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Der Bericht von Fritz Donner befasst sich mit den Studien und [[Arzneimittelprüfung]]en zur Homöopathie, die im Rahmen des NS-Konzepts der Neuen Deutschen Heilkunde in den 1930er Jahren im Auftrag des Reichsgesundheitsamtes (RGA) an mehreren homöopathischen Krankenhäusern stattgefunden hatten.  
 
Der Bericht von Fritz Donner befasst sich mit den Studien und [[Arzneimittelprüfung]]en zur Homöopathie, die im Rahmen des NS-Konzepts der Neuen Deutschen Heilkunde in den 1930er Jahren im Auftrag des Reichsgesundheitsamtes (RGA) an mehreren homöopathischen Krankenhäusern stattgefunden hatten.  
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Anstatt der erhofften positiven Resultate kam bei den staatlich geförderten Untersuchungen nichts Positives für die Homöopathie heraus. Durchgeführt wurden beispielsweise Doppelblindversuche mit Silicea C 30. Das Ergebnis: Verum und Placebo verursachten gleich viel Symptome. Den anwesenden Homöopathen war es nicht möglich, Verum und Placebo zu unterscheiden. Auch 1938/39 wurden im Robert-Koch-Krankenhaus in Berlin klinische Versuche mit Homöopathika mit negativem Ergebnis durchgeführt. Der Homöopath Rabe reagierte mit der Vermutung, dass "Homöopathie keine pharmakotherapeutische Methode, wie bisher angenommen, sondern eine Form der Psychotherapie" sei. Donner in einem Gedächtnisprotokoll:
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Anstatt der erhofften positiven Resultate kam bei den staatlich geförderten Untersuchungen nichts Positives für die Homöopathie heraus, und Donner kam zum Ergebnis, dass die Ergebnisse der damaligen Untersuchungen als ein "totales Fiasko"<ref>Fritz Donner: ''Bemerkungen zu der Überprüfung der Homöopathie durch das Reichsgesundheitsamt 1936 bis 1939 (1966),'' S. 8.</ref> für die Homöopathie anzusehen seien.  
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:''Wahrheitsgemäß müsste man antworten, dass bei der Arzneiprüfung nichts herausgekommen ist und dass bei den klinischen Versuchen bei keinem einzigen Patienten eine irgendwie für eine therapeutische Wirkung der eingesetzten Arzneien sprechende Reaktion eingetreten ist.''
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Donner ging in seinem Bericht dabei auf die einzelnen Untersuchungen ein:
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Dennoch wurde offiziell verlautbart, es hätten sich gewisse Schwierigkeiten bemerkbar gemacht, sodass man neu beginnen müsse. Der Krieg verhinderte jedoch weitere Forschung. Später, in den 1960er Jahren, drückte sich Donner deutlicher aus: Er nannte die Untersuchung ein "totales Fiasko" für die Homöopathie.
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*Dem damaligen Vorsitzenden der homöopathischen Ärzte, Hanns Rabe (1890-1959), sei es ''weder im Arzneiprüfungsversuch noch bei seinen therapeutischen Bemühungen an von ihm selbst ausgesuchten Kranken gelungen ist, irgend einen Erfolg zu Gunsten der Homöopathie zu erzielen'', so z.B. bei einer von Rabe durchgeführten Doppelblindversuche mit Silicea C 30 (Kieselerde/Silicea). Das Ergebnis: Verum und Placebo verursachten gleich viel Symptome. Den anwesenden Homöopathen war es nicht möglich, Verum und Placebo zu unterscheiden.<ref>Fritz Donner: ''Bemerkungen zu der Überprüfung der Homöopathie durch das Reichsgesundheitsamt 1936 bis 1939 (1966),'' S. 1 (Zitat), 28f.</ref><ref name="Rabe 1939">s.a. Hanns Rabe: ''Die Bedeutung der Arzneimittelprüfung für den homöopathischen Arzneischatz.'' In: ''Deutsche Zeitschrift für Homöopathie'' 18 (1939), S. 142ff.</ref>
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Zitat aus dem Bericht:  
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*Auch die Prüfungen von Paul Martini mit Bryonia (Zaunrübe) und Sepia (Tintenfisch) waren zu keinem positiven Resultat gekommen.<ref>Fritz Donner: ''Bemerkungen zu der Überprüfung der Homöopathie durch das Reichsgesundheitsamt 1936 bis 1939 (1966),'' S. 7; s.a. Paul Martini: ''Über die homöopathische Arzneimittelprüfung am Gesunden.'' In:  ''Münchener Medizinische Wochenschrift'' 86 (1939), S. 721­-725.</ref>
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*Die Arzneiprüfungen von Ferdinand Hoff ergaben ''keine erkennbare Übereinstimmung mit den Arzneibildern'' und zahlreiche Placeboeffekte.<ref>Fritz Donner: ''Bemerkungen zu der Überprüfung der Homöopathie durch das Reichsgesundheitsamt 1936 bis 1939 (1966),'' S. 7; s.a. Ferdinand Hoff: ''Glanz und Elend der Therapie - mit Bemerkungen zur Homöopathie.'' In: ''Deutsche medizinische Wochenschrift'' 86 (1961), S. 1017-1028; Ferdinand Hoff: ''Behandlung innerer Krankheiten.'' Stuttgart: Thieme, 8.erweiterte u. verbesserte Auflage 1958, S. 20.</ref>
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*Erste Prüfungen der Wirksamkeit des homöopathischen Thuja-Extrakts (Lebensbaum) gegen die Infektions- und Geschlechtskrankheit Gonorrhoe an der Berliner Universitäts-Poliklinik ergaben erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des Mittels.<ref>Fritz Donner: ''Bemerkungen zu der Überprüfung der Homöopathie durch das Reichsgesundheitsamt 1936 bis 1939 (1966),'' S. 23f.</ref>
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*Auch die in Stuttgart von Stiegele angeblich erzielten homöopatischen Erfolge gegen Lungenentzündung wurden durch eine ältere Prüfung ernsthaft infrage gestellt. Donner urteilte rückwirkend: ''Derartige Mortalitätsziffern hatte ich bis dahin noch nie erlebt.''<ref name="Donner/Unseld 1966"/>
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*Die Überprüfung des vermeindlichen Diphtherie- und Basedow-Heilmittels Thyreoidin (getrocknete Schilddrüse des Schafes)<ref>„Thyreoidīn, die getrocknete oder gepulverte Schilddrüse des Schafes, in der Organotherapie gegen Myxödem, Kropf, Fettsucht und Basedowsche Krankheit angewendet, enthält Thyrojodin“ (''Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon.'' Bd. 2. Leipzig, 5. Aufl. 1911, S. 836.</ref> ergab, dass keinerlei Belege für eine Wirkung nachgewiesen werden konnten.
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Die Beauftragten des RGA (in der Mehrheit Homöopathen) waren "empört" und "entsetzt" über die möglichen juristischen Folgen, die ein Bekanntwerden dieses Untersuchungsergebnisses nach sich ziehen könnte, bis hin "zu einem glatten Verbot einer homöopathischen Therapie im ganzen Reich".<ref name="Donner/Unseld 1966"/> 
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In seinem Bericht geht Donner auch auf das Problem der Mittel- und Hochpotenzen in der Homöopathie ein. 1935 hatte er in einem Artikel in der von ihm herausgegebenen AHZ drei Möglichkeiten des Wirkungsnachweises angeführt: 1. das biologische Experiment, 2. Arzneiprüfungen, 3. die therapeutische Anwendung.<ref>Fritz Donner: ''Zur Lösung der Hochpotenzfrage.'' In: ''AHZ'' 183 (1935), S. 81-105.</ref> Bereits während seiner Zeit am Stuttgarter homöopathischen Krankenhaus 1928-1930 war ihm aufgefallen, dass „bei keinem mit Hochpotenzen behandelten Krankheitsfalle eine Wirkung zu sehen [war], die irgendwie für die Behauptungen der Hochpotenzler hätte sprechen können.“<ref>Heinz Schoeler: ''Das Hochpotenzproblem.'' In: ''AHZ'' 195 (1950), S. 100-110, Zitat S.105.</ref> Er selbst hatte im Verlaufe der 1930er Jahre an fast 200 Kollegen verblindete plazebokontrollierte "homöopathische Arzneiprüfungen" mit meist mittleren Potenzen durchgeführt. Zu seiner Überraschung zeigten dabei aber alle Prüfer Placebosymptome. Die Ergebnisse ergaben keine Unterscheidung der Wirkungen von Verum und Placebo. Donners homöopathische Literaturstudien lieferten weitere Bestätigungen dieses Ergebnisses, ebenso eine Hochpotenzprüfung Donners im Rahmen der RGA-Untersuchungen. Der Homöopathieärzte-Vorsitzende Hanns Rabe kam deshalb 1939 zu der Einsicht, dass möglicherweise alle von [[Samuel Hahnemann]] und seinen Nachfolgern bei Hochpotenzprüfungen ermittelten Symptome nichts weiter als Placebosymptome sind.<ref name="Rabe 1939"/><ref>Fritz Donner: ''Bemerkungen zu der Überprüfung der Homöopathie durch das Reichsgesundheitsamt 1936 bis 1939 (1966),'' S. 5f., 15.</ref>
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Am Ende der Versuche von 1938-1939 im Robert-Koch-Krankenhaus in Berlin musste Hanns Rabe deshalb eingestehen: ''Wir können doch das gar nicht, was wir behaupten.'' Er vermutete auch, dass ''Homöopathie keine pharmakotherapeutische Methode, wie bisher angenommen, sondern eine Form der Psychotherapie'' sei. Donner in einem Gedächtnisprotokoll:
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:''Wahrheitsgemäß müsste man antworten, dass bei der Arzneiprüfung nichts herausgekommen ist und dass bei den klinischen Versuchen bei keinem einzigen Patienten eine irgendwie für eine therapeutische Wirkung der eingesetzten Arzneien sprechende Reaktion eingetreten ist.''<ref>Fritz Donner: ''Bemerkungen zu der Überprüfung der Homöopathie durch das Reichsgesundheitsamt 1936 bis 1939 (1966),'' S. 32f.</ref><ref name="Donner/Schoeler 1966">s.a. ''[http://www.kwakzalverij.nl/701/Donners_Brief_an_Schoeler Brief Fritz Donner an Heinz Schoeler v. 7. November 1966.]'' Original in: ''Homöopathie-Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung'' Stuttgart.</ref>
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Donner kommt zusammenfassend zum Schluss, dass die Ansichten der Mehrheit der homöopathischen Ärzte über die Wirksamkeit homöopathischer Mittel "Wunschvorstellungen" sind, die ''in erheblicher Diskrepanz zu den nun mal vorliegenden Realitäten stehen.''<ref>Fritz Donner: ''Bemerkungen zu der Überprüfung der Homöopathie durch das Reichsgesundheitsamt 1936 bis 1939 (1966),'' S. 28, 35.</ref>
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Dennoch wurde offiziell verlautbart, es hätten sich "gewisse Schwierigkeiten" bemerkbar gemacht, sodass man neu beginnen müsse. Der Krieg verhinderte jedoch weitere Forschung.
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In seinem Bericht zitier Donner auch einen früheren leitenden Kollegen mit den Worten:
    
:''Als wir damaligen Assistenten des Stuttgarter Krankenhauses uns 1927 empört über gewisse Dinge innerhalb der Homöopathie äußerten, gab uns H. Meng, damals leitender Arzt der 2. Abteilung, später Professor für Psychologie an der Universität Basel, den klugen Rat, wir sollten uns eingehend mit der Psychopathologie der Außenseiter beschäftigen, dann würde uns vieles verständlich werden.''
 
:''Als wir damaligen Assistenten des Stuttgarter Krankenhauses uns 1927 empört über gewisse Dinge innerhalb der Homöopathie äußerten, gab uns H. Meng, damals leitender Arzt der 2. Abteilung, später Professor für Psychologie an der Universität Basel, den klugen Rat, wir sollten uns eingehend mit der Psychopathologie der Außenseiter beschäftigen, dann würde uns vieles verständlich werden.''
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