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Legt man eine Verzehrmenge von 2 Gramm Algenmasse mit einer Belastung von 100 Mikrogramm pro kg Algenmasse (100 ppb) zugrunde, würde man sich pro Tag eine Microcystinmenge von 0,2 Mikrogramm einverleiben. Da die oben geschilderten beiden Verbraucher erst nach 7 Monaten, dann aber zügig, gesundheitliche Probleme entwickelten, wäre zu spekulieren, dass bei einer Gesamtmenge von 40 Mikrogramm Microcystinen von ersten klinischen Symptomen auszugehen sein könnte (von einer unbemerkten Krebsschädigung nicht zu reden!). Diese zugegebenermaßen spekulative Obergrenze für bemerkbare, klinische Probleme scheint nicht unrealistisch zu sein, da eine weitere Verbraucherin, die über Monate hinweg eine mit 76 ppb belastete Probe konsumiert hatte, keine gesundheitlichen Probleme berichtete. Die Wirksamkeitsschwelle zur Auslösung klinischer Symptome beim Menschen dürfte derzeit bei einer Gesamtaufnahmemenge von 40-50 Mikrogramm liegen, die je nach Belastung des AFA-Produkts mehr oder weniger schnell erreicht ist.
 
Legt man eine Verzehrmenge von 2 Gramm Algenmasse mit einer Belastung von 100 Mikrogramm pro kg Algenmasse (100 ppb) zugrunde, würde man sich pro Tag eine Microcystinmenge von 0,2 Mikrogramm einverleiben. Da die oben geschilderten beiden Verbraucher erst nach 7 Monaten, dann aber zügig, gesundheitliche Probleme entwickelten, wäre zu spekulieren, dass bei einer Gesamtmenge von 40 Mikrogramm Microcystinen von ersten klinischen Symptomen auszugehen sein könnte (von einer unbemerkten Krebsschädigung nicht zu reden!). Diese zugegebenermaßen spekulative Obergrenze für bemerkbare, klinische Probleme scheint nicht unrealistisch zu sein, da eine weitere Verbraucherin, die über Monate hinweg eine mit 76 ppb belastete Probe konsumiert hatte, keine gesundheitlichen Probleme berichtete. Die Wirksamkeitsschwelle zur Auslösung klinischer Symptome beim Menschen dürfte derzeit bei einer Gesamtaufnahmemenge von 40-50 Mikrogramm liegen, die je nach Belastung des AFA-Produkts mehr oder weniger schnell erreicht ist.
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In Australien wird für Trinkwasser ein Microcystin-LR Richtwert von 1,3&nbsp;Mikrogramm/Liter empfohlen. Alle Grenzwerte, auch der von der WHO empfohlene, orientieren sich an Hochrechnungen, die ihre Grundlage in Tierversuchen am Mausmodell haben. Mäuse halten aber eine deutlich höhere Microcystinbelastung aus, ohne Leberschäden oder körperliche Symptome zu entwickeln, als andere Tiergattungen (z.B. Ratte oder Schwein). Zeigen sich bei Mäusen noch keine Zeichen von Leberschädigungen bei intraperitonealen Gaben von Microcystinen in Dosen von 25-50&nbsp;Mikrogramm/kg Körpergewicht (vgl. Fromme, Berlin, 1999), treten bei Rattenfeten bereits ab 4&nbsp;Mikrogramm/kg Körpergewicht Schäden auf.<ref name='Zhang'></ref> Schweine überleben nach Beasley et al. (2000) gerade noch eine Microcystindosis von 25&nbsp;Mikrogramm/kg Körpergewicht, erleiden dabei aber bereits nachweisbare Organschäden u.a. im Bereich der Leber. Beim Menschen fehlen entsprechende Untersuchungen aus naheliegenden Gründen. Niemand würde die Erlaubnis erhalten, selbst bei Freiwilligen solche Versuche durchzuführen. Deshalb ist man auf Analogieschlüsse angewiesen, die sich sinnvollerweise auf die Trink- oder Badewasserbelastung mit Microcystinen beziehen, denn hier zeigen Studien aus China, dass der Konsum microcystinbelasteten Trinkwassers eindeutig mit einem erhöhtem Auftreten von Leberkarzinomen assoziiert ist (z.B. Shun-Zhang 1995).
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In Australien wird für Trinkwasser ein Microcystin-LR Richtwert von 1,3&nbsp;Mikrogramm/Liter empfohlen. Alle Grenzwerte, auch der von der WHO empfohlene, orientieren sich an Hochrechnungen, die ihre Grundlage in Tierversuchen am Mausmodell haben. Mäuse halten aber eine deutlich höhere Microcystinbelastung aus, ohne Leberschäden oder körperliche Symptome zu entwickeln, als andere Tiergattungen (z.B. Ratte oder Schwein). Zeigen sich bei Mäusen noch keine Zeichen von Leberschädigungen bei intraperitonealen Gaben von Microcystinen in Dosen von 25-50&nbsp;Mikrogramm/kg Körpergewicht (vgl. Fromme, Berlin, 1999), treten bei Rattenfeten bereits ab 4&nbsp;Mikrogramm/kg Körpergewicht Schäden auf.<ref name='Zhang'></ref> Schweine überleben nach Beasley et al. (2000) gerade noch eine Microcystindosis von 25&nbsp;Mikrogramm/kg Körpergewicht, erleiden dabei aber bereits nachweisbare Organschäden u.a. im Bereich der Leber.<ref>Beasley VR, Lovell RA, Holmes KR, Walcott, HE, Schaeffer DJ, Hoffmann WE, Carmichael WW: Microcystin-LR decrease hepatic and renal perfusion and causes circulatory shock, severe hypoglycemia and terminal hyperkalemia in intravasculary dosed swine. J Toxicol Environm Health 61 (Part A): 281-203, 2002</ref> Beim Menschen fehlen entsprechende Untersuchungen aus naheliegenden Gründen. Niemand würde die Erlaubnis erhalten, selbst bei Freiwilligen solche Versuche durchzuführen. Deshalb ist man auf Analogieschlüsse angewiesen, die sich sinnvollerweise auf die Trink- oder Badewasserbelastung mit Microcystinen beziehen, denn hier zeigen Studien aus China, dass der Konsum microcystinbelasteten Trinkwassers eindeutig mit einem erhöhtem Auftreten von Leberkarzinomen assoziiert ist.<ref>Shun-Zhang Y: Primary prevention of hepatocellular carcinoma. J Gastroenterol Hepatol 10: 675-682, 1995</ref> 
    
Das Institut für Umweltanalytik und Humantoxikologie (ITox) in Berlin empfiehlt in der gesundheitlichen Bewertung von Blaualgentoxinen (Microcystinen) in Badegewässern bereits ab einer Belastung von 10-100&nbsp;Mikrogramm pro Liter auf das gesundheitliche Risiko beim Baden in entsprechend belasteten Gewässern hinzuweisen und vom Baden abzuraten sowie ab Microcystinwerten oberhalb von 100&nbsp;Mikrogramm pro Liter das Baden in solchen Gewässern zu untersagen. Es liegt nahe, diesen Trinkwassergrenzwert auf die Algenprodukte zu übertragen, denn in der von mir initiierten Untersuchung fand ich zwei Personen, die nach mehrmonatiger Einnahme von Algenprodukten in einer geschätzten Microcystin-Gesamtdosis von etwas über 40&nbsp;Mikrogramm klinische Symptome entwickelt hatten, die auf eine chronische Vergiftung durch Microcystine schließen lassen.
 
Das Institut für Umweltanalytik und Humantoxikologie (ITox) in Berlin empfiehlt in der gesundheitlichen Bewertung von Blaualgentoxinen (Microcystinen) in Badegewässern bereits ab einer Belastung von 10-100&nbsp;Mikrogramm pro Liter auf das gesundheitliche Risiko beim Baden in entsprechend belasteten Gewässern hinzuweisen und vom Baden abzuraten sowie ab Microcystinwerten oberhalb von 100&nbsp;Mikrogramm pro Liter das Baden in solchen Gewässern zu untersagen. Es liegt nahe, diesen Trinkwassergrenzwert auf die Algenprodukte zu übertragen, denn in der von mir initiierten Untersuchung fand ich zwei Personen, die nach mehrmonatiger Einnahme von Algenprodukten in einer geschätzten Microcystin-Gesamtdosis von etwas über 40&nbsp;Mikrogramm klinische Symptome entwickelt hatten, die auf eine chronische Vergiftung durch Microcystine schließen lassen.
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Wenn also Tierversuche zeigen, dass Mäuse zur Risikoabschätzung durch Microcystin aufgrund ihrer Unempfindlichkeit ungeeignet sind, Ratten und Schweine hingegen viel empfindlicher reagieren und zudem erste Hinweise bei Erwachsenen zeigen, dass Gesamtdosen von etwa 40&nbsp;Mikrogramm Microcystinen - auch über längere Zeit verteilt eingenommen - zu Gesundheitsschäden führen können, muss gefordert werden, dass der WHO-Trinkwassergrenzwert für Microcystine von 1 Microgramm/Liter auch bei den Algenprodukten einzuhalten ist. Die im US-Bundesstaat Oregon tolerierten Microcystinmengen in Algenprodukten (1.000&nbsp;Mikrogramm pro kg), die nur auf Schätzungen aus Mausmodellen beruhen (Schaeffer et al. 1999), sind offensichtlich wesentlich zu hoch. Sie liegen um den Faktor&nbsp;1.000 überhalb der für Trinkwasser empfohlenen WHO-Richtwerte.
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Wenn also Tierversuche zeigen, dass Mäuse zur Risikoabschätzung durch Microcystin aufgrund ihrer Unempfindlichkeit ungeeignet sind, Ratten und Schweine hingegen viel empfindlicher reagieren und zudem erste Hinweise bei Erwachsenen zeigen, dass Gesamtdosen von etwa 40&nbsp;Mikrogramm Microcystinen - auch über längere Zeit verteilt eingenommen - zu Gesundheitsschäden führen können, muss gefordert werden, dass der WHO-Trinkwassergrenzwert für Microcystine von 1 Microgramm/Liter auch bei den Algenprodukten einzuhalten ist. Die im US-Bundesstaat Oregon tolerierten Microcystinmengen in Algenprodukten (1.000&nbsp;Mikrogramm pro kg), die nur auf Schätzungen aus Mausmodellen beruhen), sind offensichtlich wesentlich zu hoch. Sie liegen um den Faktor&nbsp;1.000 überhalb der für Trinkwasser empfohlenen WHO-Richtwerte.<ref>Schaeffer DJ, Maplas PB, Barton LL: Risk assessment of microcystins in dietary Aphanizomenon flos-aquae. Ecotoxicol Envinron Saf 44: 73-80, 1999</ref>
    
Legt man die übliche Verzehrsempfehlung von 2&nbsp;Gramm Algenmasse pro Tag, eine durchschnittliche Microcystinbelastung von 0,1&nbsp;Mikrogramm pro Algengramm und eine Dosisschwelle von 40&nbsp;Mikrogramm Microcystinen bei Erwachsenen zugrunde, ab der offensichtlich klinische Symptome auftreten können, so kann man innerhalb von etwa 6-7&nbsp;Monaten die kritische Belastungszone zum Auftreten körperlicher Beschwerden erreichen. Es gibt jedoch Algenanbieter, deren entsprechend belastete Algenprodukte mit Verzehrsempfehlungen bis zu 20&nbsp;Pillen (5&nbsp;Gramm) täglich angepriesen werden. Bei solchen Verzehrmengen ist es kein Wunder, wenn die kritische Schwelle bereits innerhalb weniger Wochen erreicht wird und die Patienten anfänglich mit schnell auftretenden Hautausschlägen konfrontiert werden. Sanacell und Algavital nutzen beide gern die Dienste der Heilpraktikerin Barbara Simonsohn, die einschläge Ritalin-kritische und AFA-propagierende Bücher publiziert hat sowie einschlägige werbende Artikel in Szene-Zeitschriften veröffentlichte. Sie tritt für noch höhere Dosen pro Tag (20&nbsp;Gramm und mehr) ein. Bei den Microcystinmengen, die in den Produkten von Sanacell und Algavital gefunden wurden, würde dies eine Krebsgefahr bedeuten sowie nach wenigen Wochen bis Monaten klinische Symptome einer Microcystinvergiftung bewirken.
 
Legt man die übliche Verzehrsempfehlung von 2&nbsp;Gramm Algenmasse pro Tag, eine durchschnittliche Microcystinbelastung von 0,1&nbsp;Mikrogramm pro Algengramm und eine Dosisschwelle von 40&nbsp;Mikrogramm Microcystinen bei Erwachsenen zugrunde, ab der offensichtlich klinische Symptome auftreten können, so kann man innerhalb von etwa 6-7&nbsp;Monaten die kritische Belastungszone zum Auftreten körperlicher Beschwerden erreichen. Es gibt jedoch Algenanbieter, deren entsprechend belastete Algenprodukte mit Verzehrsempfehlungen bis zu 20&nbsp;Pillen (5&nbsp;Gramm) täglich angepriesen werden. Bei solchen Verzehrmengen ist es kein Wunder, wenn die kritische Schwelle bereits innerhalb weniger Wochen erreicht wird und die Patienten anfänglich mit schnell auftretenden Hautausschlägen konfrontiert werden. Sanacell und Algavital nutzen beide gern die Dienste der Heilpraktikerin Barbara Simonsohn, die einschläge Ritalin-kritische und AFA-propagierende Bücher publiziert hat sowie einschlägige werbende Artikel in Szene-Zeitschriften veröffentlichte. Sie tritt für noch höhere Dosen pro Tag (20&nbsp;Gramm und mehr) ein. Bei den Microcystinmengen, die in den Produkten von Sanacell und Algavital gefunden wurden, würde dies eine Krebsgefahr bedeuten sowie nach wenigen Wochen bis Monaten klinische Symptome einer Microcystinvergiftung bewirken.
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Zusätzlich ist zu bedenken, dass sich 50% der oral eingenommenen Microcystindosis in der Leber anreichert. Somit sind die üblichen Dosierungsschemata des Giftes in Bezug auf Kilogramm Körpergewicht per se fragwürdig. Die Leber eines Erwachsenen hat ein durchschnittliches Gewicht von 3-4&nbsp;kg, so dass bereits niedrige Einnahmemengen zu Leberschäden führen können. Geht man davon aus, dass man eine Giftkonzentration von 1&nbsp;Mimrogramm pro&nbsp;kg Lebergewicht einnehmen müsste, würden bereits 8&nbsp;Mikrogramm Gesamtaufnahmemenge ausreichen, um erste Leberschäden zu bewirken oder ggf. dazu beizutragen, Leberkrebs auszulösen. Diese Dosis kann bei Algenprodukten, die, wie in der vorliegenden Untersuchung nachgewiesen, mit 68-134&nbsp;Mikrogramm pro kg (also 0,068-0,134&nbsp;Mikrogramm pro Gramm) mit Microcystinen belastet sind, durchaus schon in 2-3&nbsp;Monaten erreicht werden, denn die Microcystine werden nicht so schnell abgebaut, wie sie eingenommen werden. Das Leberkrebsrisiko kann bereits in solchen Dosen möglicherweise deutlich erhöht werden.
 
Zusätzlich ist zu bedenken, dass sich 50% der oral eingenommenen Microcystindosis in der Leber anreichert. Somit sind die üblichen Dosierungsschemata des Giftes in Bezug auf Kilogramm Körpergewicht per se fragwürdig. Die Leber eines Erwachsenen hat ein durchschnittliches Gewicht von 3-4&nbsp;kg, so dass bereits niedrige Einnahmemengen zu Leberschäden führen können. Geht man davon aus, dass man eine Giftkonzentration von 1&nbsp;Mimrogramm pro&nbsp;kg Lebergewicht einnehmen müsste, würden bereits 8&nbsp;Mikrogramm Gesamtaufnahmemenge ausreichen, um erste Leberschäden zu bewirken oder ggf. dazu beizutragen, Leberkrebs auszulösen. Diese Dosis kann bei Algenprodukten, die, wie in der vorliegenden Untersuchung nachgewiesen, mit 68-134&nbsp;Mikrogramm pro kg (also 0,068-0,134&nbsp;Mikrogramm pro Gramm) mit Microcystinen belastet sind, durchaus schon in 2-3&nbsp;Monaten erreicht werden, denn die Microcystine werden nicht so schnell abgebaut, wie sie eingenommen werden. Das Leberkrebsrisiko kann bereits in solchen Dosen möglicherweise deutlich erhöht werden.
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Yu und Chen (1994) untersuchten den Microcystingehalt im Trinkwasser von 20&nbsp;Patienten, die an hepatozellulärem Karzinom erkrankt waren (61&nbsp;Mikrogramm/Liter) und verglichen ihn mit demjenigen von gesunden Kontrollpersonen (36&nbsp;Mikrogramm/Liter). Dies zeigt, dass eindeutige Risiken bestehen können, wenn dauerhaft Microcystine in noch vergleichsweise niedrigen Dosen eingenommen werden.
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Yu und Chen (1994) untersuchten den Microcystingehalt im Trinkwasser von 20&nbsp;Patienten, die an hepatozellulärem Karzinom erkrankt waren (61&nbsp;Mikrogramm/Liter) und verglichen ihn mit demjenigen von gesunden Kontrollpersonen (36&nbsp;Mikrogramm/Liter). Dies zeigt, dass eindeutige Risiken bestehen können, wenn dauerhaft Microcystine in noch vergleichsweise niedrigen Dosen eingenommen werden.<ref>Yu SZ, Chen G: Blue-green algae toxins and liver cancer. Chin J Cancer Res 6: 9-17, 1994</ref>
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Vergiftungssymptome werden von den Algen-Befürwortern oft als vorübergehende "Entgiftungserscheinungen" bagatellisiert.
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Vergiftungssymptome werden jedoch von den Algen-Befürwortern oft als vorübergehende "Entgiftungserscheinungen" bagatellisiert.
    
==Warnung des BfArM und BgVV==
 
==Warnung des BfArM und BgVV==
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