Basische Ernährung: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 20. November 2019, 22:08 Uhr
Basische Ernährung (engl. alkaline diet) bezeichnet eine in der wissenschaftlichen Medizin nicht anerkannte Ernährungsweise, die Nahrungsmittel bevorzugt, die angeblich weniger säureproduzierende und mehr basisch wirkende Anteile enthalten soll. Außerdem soll ernährungsbedingt mehr Säure ausgeschieden werden. Beworben wird die die basiche Ernährung auch für das pseudomedizinische Konzept einer "Entgiftung".
Aus Sicht der Befürworter einer basischen Ernährung sind Nahrungsmittel in Gruppen einteilbar, je nach ihrer angeblichen Beeinflussung einer so genannten Übersäuerung. Die damit gemeinte "Übersäuerung" hat jedoch nichts mit dem aus der Intensivmedizin bekannten Zustand der Azidose zu tun. Es handelt sich um eine klassische Krankheitserfindung.
Allgemeine Grundlagen
Der weitaus größte Teil der Säuren im Körper entsteht im Stoffwechsel, nur ein geringer Teil wird über die Nahrung aufgenommen.
Im menschlichen Körper fallen unter physiologischen Bedingungen pro Tag etwa 50-100 mmol an Säuren an.
Als Stoffwechselendprodukte fallen permanent Säuren an, ob Milchsäure aus der Glykolyse, Harnsäure aus dem Purinabbau oder Schwefelsäure aus dem Abbau von Aminosäuren.
Dazu kommen noch 13-20 mol CO2. Das anfallende CO2 bildet mit Wasser Kohlensäure, welches im Körper zu Bicarbonat und Protonen dissoziiert.[1]
Pathologische Veränderungen des PH-Wertes würden die Aktivitäten fast aller Enzyme beeinflussen.
Wie an vielen Stellen erwähnt, existieren im Körper einige Puffersysteme, die regulierend eingreifen, um den PH-Wert in konstant zu halten.
Würden dem Körper im Zuge eine imaginären basischen Ernährung dementsprechende Substanzen zugeführt, reagierte der Organismus vollautomatisch mit der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts.[2]
Grundsätzlich ist dies in drei Kategorien einzuteilen:
- Ein effizientes Puffersystem ist die Atmung, über die das entstehende CO2 abgeatmet wird
- Damit wird das Blut zum effizientesten Faktor, denn dieses ist für 75% der menschlichen Pufferkapazität verantwortlich
- Auch über die Nieren und renale Ausscheidung wird der PH-Wert reguliert
Einschränkungen, Erkrankungen oder Verlegung der Atemwege ist einer der häufigsten Ursachen für tatsächliche Veränderung des PH-Wertes im Körper.
Dann spricht man von einer respiratorischen Azidose oder einer Alkalose, welche bei Hyperventilation auftritt, deshalb wird als Sofortmaßnahme in eine Tüte geatmet, um die CO2-haltige Luft wieder einzuatmen und den Wert wieder zu erhöhen.
Ein weiterer Faktor wären Störungen des Elektrolyt-Haushaltes, da dieser eng mit dem Säure-Basen-Haushalt verknüpft ist. Möglich ist dies z.B. bei starkem Erbrechen, Durchfall oder bei Nierenerkrankungen. Dann spricht man von metabolischer Azidose/Alkalose.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Ernährung alleine nicht zu einer dauerhaften pathologischen und klinisch relevanten Entgleisung der PH-Werte führt. Dazu bedarf es schwerwiegender körperlicher Grunderkrankungen und Funktionsstörungen wie zum Beispiel bei einer diabetischen Ketoazidose, Niereninsuffizienzen, Lungenerkrankungen, Sepsis, Intoxikationen, diversen Stoffwechselstörungen, welche sich dann auch in einer klinischen Symptomatik äußern (Dämpfung ZNS, Herzkreislaufstörungen, Übererregbarkeit des peripheren Nervensystems: Krämpfe, Parästhesien).
Wesentlich und zu erwähnen ist, dass für die Beurteilung des Säure-Basen-Status nicht der PH-Wert alleine entscheidend ist, sondern die Korrelation von drei Werten, zu denen noch der pCO2 (Kohlendioxidpartialdruck) und HCO3 (Bicarbonat) gehören. Nur mit dem Vergleich aller drei Werte kann schlüssig bestimmt und beurteilt werden, ob und welche Form einer Azidose bzw. Alkalose vorliegt. [1][3]
Säurebildende Nahrungsmittel
Ungünstige Nahrungsmittel im Sinne einer basischen Ernährung seien demnach Kaffee, schwarzer Tee, Alkohol, Fleisch, Hartkäse oder Süßigkeiten.
Produkte für die basische Ernährung
Für eine basische Ernährung werden spezielle Nahrungsergänzungsmittel wie "Basentabletten" oder Basenpulver angeboten, die unterschiedlichste Mischungen aus Spurenelementen und anderen Mineralstoffen enthalten, oft auch in Kombination mit weiteren Bestandteilen wie Vitaminen.
Eine basische Diät kann beträchtlichen Aufwand und sorgfältige Planung erfordern und schließt in der Regel die Supplementierung bestimmter Nahrungsmittel ein. Das erfordert die Kenntnis der Zusammensetzung von Lebensmitteln und deren Kombinationen sowie der Arten der notwendigen Zubereitung, um eine bedarfsgerechte Versorgung zu erreichen. Dies ist der Ansatz vieler Anbieter, nicht nur Produkte, sondern auch Dienstleistungen in Form von Beratung und Betreuung zu verkaufen. Qualifikationsnachweise werden in der Regel nicht erbracht.
Basische Ernährung und Krankheiten
Osteoporose
Häufig wird eine basische Ernährung zur Prävention (Vorbeugung) der Osteoporose beworben. Auf zahlreichen privaten Webseiten und in an Laien gerichteten Büchern wird diese Ernährungsweise als gegen Osteoporose wirksam beschrieben. In diesem Zusammenhang sollen die Kunden den pH-Wert ihres Urins messen, um damit ein Osteoporoserisiko abschätzen zu können. Eine dazu passende Theorie wurde als "acid-ash hypothesis" wissenschaftlich diskutiert. Eine prospektive Studie an 651 Personen, die über mehrere Jahre geführt wurde, konnte 2010 keinen Zusammenhang zwischen Urin-pH und Säureausscheidung über den Urin einerseits und dem Osteoporoserisko erkennen. Andere Risikofaktoren wurden dabei mit berücksichtigt.[4]
Krebs
Auch für diverse Tumorerkrankungen werden Alkaline-Diäten angeboten. Auf Grundlage der Behauptung, ein "saures Milieu" würde die Entstehung und Entwicklung von Krebstumoren begünstigen, wird oft sogar mit dem Versprechen einer Heilung geworben. Allerdings existieren bis heute keinerlei seriöse Arbeiten, welche einen Zusammenhang zwischen dem PH-Wert des Körpers und der Hemmung Tumorwachstums belegen. Auch liegen keine klinischen Studien vor, welche die Auswirkungen basischer Ernährung auf die Mortalität von Patienten aufzeigen.[5]
Die Aussagen bewegen sich immer im Bereich anekdotischer Evidenz und nicht belastbarer Behauptungen von Herstellern und Vermarktern. Eine wirkliche Evaluation der Ergebnisse findet auf Seiten der Produktanbieter nicht statt.
Beispiele für basische Ernährungskonzepte
Die Neue Biologie nach Young (New Biology) ist eine pseudomedizinische Gesundheitslehre des US-amerikanischen Buchautors und Unternehmers Robert O. Young (geb. 1952, Spitzname "Mr. PH"), die hauptsächlich auf dem amerikanischen Kontinent bekannt ist. Kern der "Neuen Biologie" ist die Ansicht, dass die meisten chronischen Erkrankungen des Menschen in Wirklichkeit durch ein (in der Medizin unbekanntes) Ungleichgewicht der Säuren und Basen im Blut verursacht würde, das auf Ernährungfehler zurückgehe. Dem sei mit der Einnahme bestimmter Nahrungsergänzungsmittel im Rahmen des Youngschen "pH Miracle Program" abzuhelfen. Die auf falschen Annahmen beruhende Neue Biologie nach Young wird von Robert O. Young und seiner Ehefrau, der Physiotherapeutin Shelley Redford Young, in Büchern und im Internet verbreitet und dient als Basis, um eigene Produkte durch Multilevel Marketing über ihre Firmen "InnerLight Inc." und "Health Education Foundation" zu verkaufen. Geworben wird u.a. damit, dass diese Produkte zum Abnehmen geeignet seien.
Auch einer der größten und skrupellosesten Scharlatane unserer Zeit, Leonard Coldwell, ist in die Vermarktung dieser Methoden und Produkte involviert: Er ist an vielen Stellen präsent, wird von vielen Befürwortern zitiert und nutzt die Verzweiflung kranker Patienten aus.[6][7][8]
Bewertung
Eine Wirksamkeit der basischen Ernährung zur Vermeidung angeblich übersäuerungsbedingter Krankheiten konnte bisher nicht nachgewiesen werden, abgesehen von Nebeneffekten durch eine insgesamt gesundere Ernährung. Die Verbraucherzentrale Bayern bezeichnete eine basische Ernährung und entsprechende Nahrungsergänzungsmittel als überflüssig:[9] Die natürlichen Puffersysteme des Körpers sowie eine ausgewogene Ernährung schützen ausreichend vor Übersäuerung. Den Säuregrad im Urin regelmäßig zu messen, wie Anhänger der Übersäuerungstheorie empfehlen, sei nicht notwendig.[2]
Stattdessen kann durch es die stark reduzierte Aufnahme von Proteinen zu Mangelerscheinungen kommen.[10]
Aus einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Ernährung: Eine basenüberschüssige Kost bringt keine nachweisbaren gesundheitlichen Vorteile. Eine Übersäuerung des Körpers ist beim Gesunden nicht zu befürchten, da Puffersysteme den Säure-Basen-Spiegel im Blut und Gewebe konstant halten.[11] Der menschliche Säure-Basen-Haushalt ist imstande, das Verhältnis von Säuren und Basen im Körper in sehr engen Grenzen konstant zu halten. Folglich ist der pH-Wert des Blutes recht konstant. Fette, Proteine und Kohlenhydrate, die durch die Nahrung zugeführt werden, führen zu keiner einseitigen Belastung des Organismus mit Säuren oder Basen. Deshalb ist eine Einteilung der Nahrungsmittel in "sauer", "basisch" oder "neutral" überflüssig, weil weder eine säure- noch eine basenüberschüssige Kost einen Vorteil gegenüber der anderen bedeutet.
Der Nutzen basischer Ernährung wird in vielen Publikationen als äußerst fragwürdig eingeschätzt:
- "Basenfasten – die Kur für Ihre Geldbörse ... Nutzen von basischer Ernährung fragwürdig" [12]
- "Das Märchen von der Übersäuerung" [13]
- "Weiterhin entstehen Risiken, wenn ernsthafte Erkrankungen durch die alleinige Säure-Basen-Therapie zu spät diagnostiziert oder sogar notwendige medizinische Behandlungen versäumt werden." [14]
Zu diesem Ergebnis kam auch die Stiftung Warentest schon im Jahre 2005. In dem Artikel "Übersäuerung: Darfs etwas sauer sein" wurden Puffersysteme des Köpers, der Stellenwert des Einflusses von Ernährung auf die PH-Werte von Blut und vor allem Urin beleuchtet und untersucht, sowie die Relevanz der daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen, welche laut Stiftung Warentest keine verlässlichen Hinweise auf pathologische und behandlungsbedürftige Zustände liefern. Ableitungen zu der Vielzahl von Krankheitsbildern, welche von Herstellern gängiger Produkte behauptet werden, sind nicht zu treffen.
- "Fazit: Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Körper eines gesunden Menschen mit der Säureausscheidung überfordert wäre – im Gegenteil, das ist eine wichtige Stoffwechselaufgabe. Aus medizinischer Sicht ist die Messung des Urin- oder Haut-pH-Werts deshalb nicht sinnvoll – abgesehen von einer Ausnahme: bei Harnsäuresteinen (siehe Text „Ein Sonderfall“). Aussagekräftig sind ansonsten nur die Blutwerte.
- "Bei unserem Beratungstest kam zudem der Verdacht auf, dass die Firmen vor allem den Verkauf ihrer Nahrungsergänzungsmittel ankurbeln wollen. Bei den Teststreifen Bullrich's Vital steht schon direkt auf der Packung: „Zur Unterstützung des Ausgleichs des Säure-Basen-Haushalts verwenden Sie Bullrich’s Vital Basen-Tabletten oder Basen-Pulver mit einer speziellen Kombination wertvoller Mineralien.[15]
Auch andere, gänzlich überflüssige und nutzlose, Methoden, wie die Messung einer imaginären Übersäuerung durch Teststifte, welche auf der Haut aufgetragen wurden untersucht.
- "Ein weiteres Produkt, mit dessen Hilfe eine Übersäuerung ermittelt werden soll, ist der Toxikator (siehe Tabelle) – ein Teststift, der auf die Haut aufgetragen wird. In der Armbeuge soll ein Farbumschlag von Blau nach Rot einen Säureüberschuss anzeigen – je länger das dauert, um so saurer die Haut. Doch eine saure Hautoberfläche ist normal. Der „Säureschutzmantel“, ein feiner wasser- und fetthaltiger Film, schützt vor bakteriellen Infektionen und sorgt dafür, dass die Haut elastisch bleibt und nicht austrocknet".
- "Der Säure-Basen-Status der gesunden Haut reguliert sich weitgehend unabhängig von anderen Stoffwechselprozessen im Körper. Er unterliegt jedoch äußeren Einflüssen, beispielsweise Seifen oder Kosmetika. Ein Säuretest der Haut ist aus diesen Gründen nicht sinnvoll – er liefert keine Erkenntnisse über Krankheiten oder eine Übersäuerung des Organismus".[15]
Siehe auch
Literatur
- Fenton TR, Eliasziw M, Tough SC, Lyon AW, Brown JP, Hanley DA.Low urine pH and acid excretion do not predict bone fractures or the loss of bone mineral density: a prospective cohort study., BMC Musculoskelet Disord. 10.5.2010;11:88.
- Fenton TR, Tough SC, Lyon AW, Eliasziw M, Hanley DA.Causal assessment of dietary acid load and bone disease: a systematic review & meta-analysis applying Hill's epidemiologic criteria for causality., Nutr J. 2011 Apr 30;10:41.
Weblinks
- Gute Pillen - Schlechte Pillen: Kein Allheilmittel. Basische Medizin ohne nachweislichen Nutzen – aber mit möglichen Risiken GPSP 2016/01, S. 12. 25. Januar 2016
- Deutsches Krebsforschungszentrum: Ernährungsmythen bei Krebs
- Deutschlandfunk Kultur vom 28. Oktober 2006:Die Geschichte der Basenkost
- Healthline: The Alkaline Diet: An Evidence-Based Review. September 25, 2019
- https://www.skeptic.com/reading_room/ph-mythology-separating-phacts-from-phiction/
Quellennachweise
- ↑ 1,0 1,1 Florian Horn, Biochemie des Menschen, 6.Auflage. 2015 S: 611-620
- ↑ 2,0 2,1 Gibt es eine ernährungsbedingte Azidose?
- ↑ Müller, Löll, Bechthold, Klinikleitfaden 3. Auflage 2008, S:355-358
- ↑ Fenton TR, Eliasziw M, Tough SC, Lyon AW, Brown JP, Hanley DA.Low urine pH and acid excretion do not predict bone fractures or the loss of bone mineral density: a prospective cohort study., BMC Musculoskelet Disord. 10.5.2010;11:88.
- ↑ Erickson, Schaller, Berling, Bertz: Ernährungspraxis Onkologie, 2017, Schattauer Verlag
- ↑ alfazentauri.com/basische-lebensmittel
- ↑ regenbogenkreis.de/inspiration/gesundheit-und-ernaehrung/wenn-unser-koerper-basisch-ist-kann-es-keinen-krebs-geben
- ↑ allesistenergie.net/dr-leonard-coldwell-krebs-ist-in-2-6-wochen-heilbar-und-so-gehts/
- ↑ Verbraucherzentrale Bayern: Krank durch Übersäuerung? 9. August 2006
- ↑ http://www.spektrum.de/lexikon/ernaehrung/protein-energie-mangelsyndrome/7272
- ↑ http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=12
- ↑ http://www.medizin-transparent.at/basenfasten-die-kur-fur-ihre-geldborse#zitat2
- ↑ http://www.sueddeutsche.de/geld/tipps-fuer-verbraucher-die-grossen-alltagsluegen-1.1872925-3#redirectedFromLandingpage
- ↑ http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=11011&gartnr=91&bernr=04&seite=04
- ↑ 15,0 15,1 Artikel Stiftung Warentest vom 20. Oktober 2005 Referenzfehler: Ungültiges
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